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An dieser Stelle möchten wir Ihnen unsere zweite Vereinslokomotive 110 300-1 vorstellen.

Die Lokomotive 110 300-1 (ehemals E10 300) entstammt der Baureihe E10.3. Dies bedeutet, daß der Lokkasten (angelehnt an die Rheinpfeil-Lokomotiven der Baureihe E10.12) windschnittiger geformt ist, und deutlich vom ursprünglichen Einheitslokomotivkasten abweicht. Dies diente hauptsächlich ästhetischen Zwecken und brachte kaum Geschwindigkeitsvorteile. Angelehnt an die in den 60er Jahren getragenen Bügelfalten-Hosen erhielten die Loks der Baureihe E10.3 bald den Spitznamen Bügelfalten.


Ein letztes Mal Energie tanken vor dem Winterschlaf (23.10.2015, Koblenz-Lützel)

Unsere 110 300-1 ist jedoch keine normale Serienlok. Vielmehr war sie von Anfang an mit ihrer Schwesterlokomotive E10 299 als Erprobungsträger für Schnellfahrversuche konzipiert worden: So sollten mit den beiden Loks Bauteile und Komponenten für die spätere Schnellverkehrselektrolokomotive der Baureihe E03, später BR 103, erprobt und eventuell verbessert werden.


So kam es, dass die E10 300, die am 18.07.1963 von Krauss-Maffei (Mechanik, Rahmen und Lokkasten) und den Siemens-Schuckert-Werken (Elektrische Ausrüstung) an die Deutsche Bundesbahn übergeben wurde, bei ihrer Ablieferung kaum mit einer anderen Lok der Baureihe E10 vergleichbar war. Dies war direkt äußerlich erkennbar: Auch wenn der stahlblaue Lokkasten dem der Serienloks glich, fielen direkt die speziellen Schnellfahrdrehgestelle und der Einholmstromabnehmer auf dem Führerstand 2 auf. Letzterer wurde mehrmals getauscht oder modifiziert. Diverse Schleifstücke waren montiert, um ihre Eignung im hohen Geschwindigkeitsbereich zu erproben. Auch technisch war die Lok an vielen Stellen modifiziert: So wurden von der Serienbauart abweichende und um 204 Kg leichtere Siemens-Gummiring-Kardan-Fahrmotoren und diverse andere Bauteile aus der späteren Schnellzuglok der Baureihe E03 genutzt. Die Getriebeübersetzung war von 1:2,1 auf 1:1,5 geändert worden, um die Höchstgeschwindigkeit von 200 Km/H zu ermöglichen. Auch war eine vereinfachte Form der Linienzugbeeinflussung LZB testweise eingebaut worden, um die Sicherheit im Hochgeschwindigkeitsbereich zu erhöhen. Darüber hinaus wurde mit der 110 300-1 die automatische Fahr- und Bremssteuerung (AFB) erprobt.

Nach umfangreichen Komponententests unternahm Lokomotive am 12.11.1963 eine Werksprobefahrt von München nach Ingolstadt. Am Tag darauf ging es wieder zurück nach München. Im Zuge dieser erfolgreich verlaufenen Testfahrten stellte das Bundesbahn-Zentralamt noch am selben Tag die Genehmigung für Einsätze mit einer Höchstgeschwindigkeit von 200 Km/h aus. Gut eine Woche später, also am 19.11.1963, wurde die Lok endgültig von der Deutschen Bundesbahn abgenommen, und dem Bahnbetriebswerk Nürnberg Hbf (NN) zugeteilt. Am 22.11.1963, und damit schon drei Tage nach ihrer Abnahme, erreichte die Lok erstmals die 200 Km/h-Marke. Von da an erfolgten die Testfahrten der Lok regelmäßig mit dieser Höchstgeschwindigeit, und es wurden immer mehr Modifikationen und Verbesserungen an den Komponenten der Lok vorgenommen, um möglichst viele Ergebnisse für die Entwicklung der Schnellzuglokomotive der Baureihe E03 zu sammeln.


Nach rund einem Jahr und gut 100.000 Kilometern Laufleistung im Versuchsbetrieb waren die Erprobungen der Lokomotiven E10 300 und ihrer Schwester E10 299 erfolgreich abgeschlossen worden, sodass die Deutsche Bundesbahn die Lokomotiven auf den Serienstandard zurückbauen ließ: So wurden die Schnellfahr-Drehgestelle gegen Seriendrehgestelle und der Einholmstromabnehmer auf dem Führerstand 2 gegen einen standardmäßigen Scherenstromabnehmer getauscht. Auch im Maschinenraum wurde die Lok dem Serienstandard der Baureihe E10 angeglichen. Allerdings wurden teilweise nicht alle Änderungen rückgängig gemacht: So erinnern noch heute einige Kabel und Rohre, die entweder ins Leere laufen oder nicht ganz den normalen Weg nehmen daran, dass die Lok einstmals eine Sonderrolle einnahm.

Von dort an wurde die Lok im normalen Schnellzugdienst eingesetzt. So bespannte sie wie jede andere Lok der Baureihe E10 Personenzüge aller Art, vornehmlich natürlich Schnellzüge. Am 30.05.1965 wurde die Lok nach München Hauptbahnhof (MH) umbeheimatet, wo sie rund 12 Jahre blieb. Von dort aus wechselte sie am 18.11.1977 zum Betriebswerk Hamburg-Eidelstedt (AE). Ende der 1970er Jahre erhielt die Lok im Rahmen einer Hauptuntersuchung eine komplette Neulackierung im damaligen Standardlack ozeanblau/beige.



Diesen Lack behielt sie bis ins Jahr 1998, als sie im Werk Dessau im Rahmen einer Hauptuntersuchung in das aktuelle Lackschema verkehrsrot umlackiert wurde. Diese Lackierung trägt sie bis heute. Am 30.05.1999 wurde sie erneut umbeheimatet: Ihr neues Zuhause war Braunschweig (HBS), wo sie allerdings nur kurzweilig zum Einsatz kam: Schon am 30.07.2001 wurde sie nach Köln-Deutzerfeld umbeheimatet. Auch dort verweilte die Lok nur kurz, denn schon zum 16.12.2002 kam sie in den Bestand des Bahnbetriebswerkes Saarbrücken (SSH).


Am 23.12.2002 erhielt sie ihre bisher letzte vollständige Revision: Neben einer Neulackierung in verkehrsrot erhielt sie das Schaltwerk der 110 303-5 und den Transformator der 110 367-0. Zudem wurde ein Energiezähler vom Typ ‚TEMA-Box‘ und eine GSM-R (Global System for Mobile Communications – Rail, Mobilfunksystem für Eisenbahnen)-Grundausstattung verbaut. Am 25.12.2004 wurde die Lok zum Bahnbetriebswerk Trier (STR) umbeheimatet. Im Zuge dessen wurde am 27.12.2004 im Rahmen eines AW-Aufenthaltes eine elektropneumatische Notbremsüberbrückung (NBÜ/EP) und die LAR-Sprechanlage nachgerüstet, zudem wurde die Sifa von der bisherigen mechanischen Bauart auf die elektronische Bauart umgebaut. Gerade der Einbau einer NBÜ/EP ist bei einer Lok der Baureihe E10 selten, so erhielten nur drei Lokomotiven der Baureihe E10 je eine NBÜ/EP eingebaut, was die Sonderrolle der 110 300-1 noch steigert.

Nach sechs Jahren endete am 22.12.2008 die reguläre Einsatzdauer nach der Revision. Aufgrund des guten Zustandes und dem ausreichenden Laufkilometerkontingent wurden der Lok noch zwei jeweils einjährige Zeitfristverlängerungen zugesprochen.

Bereits am 17.12.2010 hatte die Lok ihre letzte planmäßige Fahrt von Trier nach Koblenz. Am 23.12.2010, also einen Tag vor Weihnachten, liefen die Fristen der Lok endgültig aus.


Schließlich wurde die 110 300-1 am 14.03.2011 als Wagenlok im Alubrammenzug der Brohltalbahn von Koblenz nach Köln-Nippes in das Rheinische Industriebahnmuseum (RIM) in unsere Obhut überführt, und uns als Dauerleihgabe von DB Regio NRW zu Verfügung gestellt. Am 05.04.2011 wurde die Lok offiziell z-Gestellt.



Im April 2011 wurde die Lok einer Komplettreinigung unterzogen, da die Abstellzeit in Koblenz nicht spurlos an ihr vorbei gegangen waren. Am Ostermontag des gleichen Jahres stand die Bügelfalte bei ihrer ersten öffentlichen Präsentation im Zentrum des Interesses.

Aufgrund einer Neuausrichtung des Konzeptes des RIM wurde die 110 300-1 Ende 2012 zusammen mit ihrer Schwester 115 152-1 aus dem RIM abgezogen und vorerst im DB-Museum Koblenz-Lützel hinterstellt, wo sie seither regelmäßig zu bewundern ist.


Nachdem zahlreiche kleinere und größere technische Mängel durch den Verein behoben wurden, konnte mit Unterstützung des DB-Museums im Spätsommer 2015 ein wichtiges Vereinsziel für die Lok umgesetzt werden: Die Umlackierung in ozeanblau/beige. Wie zahlreiche andere Loks der Baureihe auch war unsere Bügelfalte von den frühen 80er Jahren bis September 1998 in dieser Farbe unterwegs.

Mit der Wahl dieser Farbe möchten wir diese wechselvolle Epoche der deutschen Bundesbahn würdigen.



110 300-1 Lok ist funktionsfähig, aber nicht einsatzbereit, weil die Fristen der Lok abgelaufen sind. Sie möchten uns auch beim Erhalt der Lok helfen? Dann nehmen Sie Kontakt mit uns auf!


An dieser Stelle möchten wir uns auch bei allen bedanken, die uns bei diesem Vorhaben unterstützt haben. Unser Dank gilt DB Regio Süd-West, die uns die Lok als Dauerleigabe überlassen haben. Ebenso danken wir dem DB-Museum Koblenz-Lützel und seinen Mitarbeitern.

Stand: 14.07.2017 21:58:57
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